Klage des Vaters

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„Ich erstatte hiermit in meinem und gleichzeitig im Namen der Mutter meines Sohnes, der Frau Erna Brockmann, Berlin-Steglitz, Berlinicke Str. 11, Anzeige wegen Mordes 1. gegen den Marine-Obergerichtsrat Hagemann, 2. gegen den Korvettenkapitän Dittmer, 3. gegen den Oberleutnant zur See Westphalen, 4. gegen den Marine-Kriegsgerichtsrat Dr. Breining, 5. gegen den Marinestabsrichter Parteigenossen Meinert und 6. gegen die Denunzianten Oberleutnant zur See Dr. Abel, Oberleutnant (Ing.) Druschel und gegen den Stabsarzt Dr. Nothdurft … Nicht mein Sohn hat die Wehrkraft zersetzt, sondern alle die Verbrecher, die heute auf der Anklagebank vor dem Internationalen Gerichtshof in Nürnberg sitzen und weiter die, die in der Verhandlung vor dem Kriegsgericht in Kiel am 26. Januar 1944 in ihrem Hitlerwahn als Richter und Denunzianten einen vollständig unbescholtenen und sie charakterlich weit überragenden jungen Menschen, der nichts weiter getan hat, als daß er die Wahrheit erkannt und gesagt hat, wider besseres Wissen und Gewissen unschuldig zum Tode verurteilten.“

03.10.1950, 13.00 Uhr • aus DER SPIEGEL 40/1950

Eine kriegsgerichtliche Variante zur neudeutschen Marschmusik war die Revisionsverhandlung gegen den ehemaligen Marineoberkriegsgerichtsrat Karl-Heinrich Hagemann (42) in Kiel. Anfang 1944 hatte er zwei Marineoffiziere wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt. 1945 belangte ihn deswegen der Staatsanwalt. Verbrechen gegen die Menschlichkeit, beweisführte die Anklage. Berechtigte Wahrung militärischer Disziplin, verteidigte Ex-Marineoberstabsrichter Dr Bernhard Leverenz (42) seinen einstigen Vorgesetzten. Mit dem gut gezielten Torpedo seines Plädoyers bohrte Leverenz die Beweisführung des Kölner Obersten Gerichtshofs in den Grund, der den erstinstanzlichen Freispruch aufgehoben hatte. Das Kieler Schwurgericht erkannte – auf Kosten der Staatskasse – erneut auf Freispruch. Landgerichtsdirektor von Starck begründete unter anderem: Ein U-Boot auf Feindfahrt sei kein Debattierklub.

Quelle: Bundesarchiv PERS_15_71334

Wie hier zu lesen ist, ging man direkt nach dem Krieg extrem vorsichtig mit Gerichtsakten um, um die ehemaligen Kriegsrichter zu schützen. Die Aufarbeiten im Themenbereich „NS-Justiz“ ist leider immer noch nicht abgeschlossen.