Denunziation

Warum war Oskar Kusch so unvorsichtig, seine Regimekritik vor seinen Kameraden im Uboot zu äußern?
Kusch entstammte der Jugendbewegung, die zwar auch den Kameradschaftsbegriff nutzte, ihn aber anders bewertete.
Die Jugendbewegung des frühen 20. Jahrhunderts steht als bedeutende soziale Strömung im Fokus unserer Ausstellung. In einer Zeit, die von der Urbanisierung und Industrialisierung geprägt war, entwickelte sich eine Bewegung, die der bürgerlichen Jugend eine Hinwendung zur Natur entgegensetzte. Diese Gegenbewegung entsprang einem Unbehagen gegenüber den rigiden gesellschaftlichen Normen des Wilhelminismus, welche durch Militarismus und Konformismus geprägt waren.
Anfänglich von einem Pathos des Individualismus geprägt, betonte die Jugendbewegung die Bedeutung von Freundschaft als Leitprinzip, im Gegensatz zur Kameradschaft. Jedoch ist anzumerken, dass sie nicht einfach ein individualistisches Gegengewicht zur Kameradschaft entwickelte, sondern vielmehr an einer Synthese dieser Konzepte arbeitete. Die sprachliche Vermischung von Ideen und Philosophien spiegelte die Ambivalenz einer Bewegung wider, die die individuelle Entfaltung mit dem Gemeinschaftsgefühl vereinen wollte.
Die Jugendbewegung war zunächst unpolitisch ausgerichtet, stand jedoch den zeitgenössischen ideologischen Strömungen offen gegenüber. Der Erste Weltkrieg markierte einen tiefgreifenden Einschnitt, gefolgt von einer Phase der politischen Polarisierung. Die gesellschaftlichen Wertvorstellungen tendierten zunehmend wieder zum Konformismus, was auch die Jugendbewegung beeinflusste.
Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war gekennzeichnet durch eine Vielfalt von Teilbewegungen und Neugründungen, die schließlich zu einer Integration von Pfadfinderbünden in die Jugendbewegung führten. Die Arbeiterjugendbewegung blieb jedoch ein eigenständiger Zweig.
Die NS-Zeit brachte eine Veränderung in der Bedeutung des Kameradschaftsbegriffs mit sich, der zunehmend den Begriff der Freundschaft ersetzte. Diese Entwicklung spiegelt sich in der militarisierten Sprache und Struktur der Hitlerjugend wider.
In NS-Organisationen wie dem NS-Ranggefüge wurden Prinzipien wie „Ehre“ und „Anständigkeit“ nicht im Sinne allgemeiner Normen interpretiert, sondern im Kontext der nationalsozialistischen Gruppe.

Der Untergang von U126

Im Uboot-Krieg, der 68 Monate dauerte gingen 781 von 820 deutschen U-Booten verloren, davon wurden 632 nachweislich von den Alliierten versenkt. Keine andere Waffengattung hatte eine solche Verlustquote zu verzeichnen, weder auf deutscher noch auf alliierter Seite.

„Gleichzeitig mit Aufleuchten des Scheinwerfers wird eine Ortung auf 130 cm festgestellt. Kein Ton, nur ganz kurzzeitiges, mittelhohes Kratzen. Lautstärke 2-3. Wahrnehmung der Ortung zuerst durch Magisches Auge, dann akustisch. Flgz. fliegt das Boot von Stb. achteraus bis etwa 500 m Abstand an, bemerkt dann im Scheinwerferkegel U 126 und dreht, da U126 anscheinend für die Maschine günstiger liegt, auf U 126 zu, wirft 4 Bomben im Reihenwurf, überfliegt U 126 etwa in Höhe der Back 10 m über der Wasseroberfläche und zieht sich in langer Rechtskurve zwischen beiden Booten hoch, feuert dabei mit Bordwaffen aus der Heckkanzel auf U 126. Die Bomben liegen etwa in Höhe des Tauchbunkers 7 an Stb. Seite von U 126, 30 – 40 m zu kurz. U 126 schießt nicht. Im hellen Scheinwerfer beim Überfliegen sieht es aus, als ob U 126 taucht. Die Back ist nicht zu sehen, das Heck ragt hoch hinaus. Auf der Brücke ist niemand auszumachen. Das eigene M.G. feuert nicht, trotz des Befehls dazu im Augenblick des Aufleuchten des Scheinwerfers. Die Ursache des Versagens ließ sich hinterher nicht feststellen. […] Da die Bomben sämtlich kurz gelegen haben, U 126 anscheinend taucht und unbeschädigt ist, entschließt sich der Kommandant zum Alarmtauchen, als das Flugzeug zwischen den beiden Booten hindurch zur Kurve abdreht. Kurz vor Schließen des Turmluks wird auf der Angriffsstelle ein Flackerlicht und aufsteigender Rauch wahrgenommen. Scheinbar eine Leucht- und Rauchbombe. Von U 126 ist in der Dunkelheit nichts zu bemerken. Nach dem Alarm sofort auf 40 m gegangen und U.T.-Verbindung angestrebt. Jedoch keine Antwort erhalten. Im Boot wurden 6-8 kurze dumpfe Knalle, in der Klangfarbe ähnlich des Abfeuern eines entfernten 3,7 cm Geschützes gehört. Sonst keine Beobachtungen. Da eigenes G.H.G.(Gruppenhorchgerät, A.M.) unklar, keine Hochpeilung. Auf Sehrohrtiefe gegangen (03.05 Uhr). Nichts gesehen. Sämtliche U.T.-Signale bleiben unbeantwortet. Die Lage ist ungeklärt. Falls U 126 ebenfalls getaucht ist, müßte auf die U.T-Anrufe Antwort erfolgen. Sollte es gegen den Anschein oben geblieben sein, ist jetzt die Verbindung abgerissen. Zwischen den beiden Kommandanten war vereinbart, im Falle einer Ortung, getaucht weiterzumarschieren. Daher Annahme des Kommandanten, daß U 126 nach dem erfolglosen Bombenangriff auf jeden Fall bei nächster Gelegenheit getaucht ist und möglicherweise durch zu große Entfernung keine U.T.-Verbindung mehr zu erreichen war. Deshalb nicht zum Auftauchen entschlossen. Entscheidend für diesen Entschluß ist die eigene Beobachtung des Kommandanten und der gesamten Brückenwache, daß der Bombenangriff erfolglos war, U 126 unbeschädigt geblieben ist, jasogar eher noch als das eigene Boote tauchte.“                        Kriegstagebuch U-154

„Auf der Heimfahrt mußten wir über Wasser fahren und konnten nur 4 Stunden nachts auftauchen. Es waren dunkle Nächte, Seegang 3, 4 ungefähr. Wir waren kurz vor dem Tauchen, da wurden wir geortet. Das Boot, das mit uns fuhr (Kommandant Kietz) wurde gebombt. Zufällig war auf dem Boot von Kietz ein Freund von Abel. Abel verlangte, daß wir auftauchten, um Rettungsversuche zu unternehmen. Wir wären dann sofort erkannt worden. Kusch lehnte es daher ab, denn wir hätten doch nicht retten können und wären selbst verloren gewesen.“                           Funkmaat Isensee

Denunziation

Kurt Druschel, Quelle: uboat.net


„Die Zeit im Operationsgebiet [d.h. ab dem 13. September 43] brachte wieder Hochbetrieb mit sich. Ich nehme wieder mein Tagebuch und finde Eintragungen: 40 Grad Hitze – 39. Alarm – dringen in den Hafen … ein – I.W.O. schießt zwei Aale daneben [am 8 Mai 43] – täglich 15 Stunden unter Wasser -Fliegerbomben – Wasserbomben – I.W.O. übersieht Flugzeug, grober Versager – Geleitzug gesichtet – Kmdt. schießt mit 6 Aalen 5 Dampfer in einem Anlauf heraus – Funkspruch von Großadmiral an Kusch ‘Gut gemacht’ – 50. Alarm – Ausfälle – Beschädigungen – Essenrationierung – 100. Seetag – endlich Rückmarsch angetreten. Der Rückmarsch war wieder mit mehr Zeit angefüllt. Des öfteren hatte ich Auseinandersetzungen mit Abel, der mir Schwierigkeiten in meiner Funkstation machte. Das kam so weit, daß ihn sogar der Kmdt. zur Rede stellte. Überhaupt merkte man deutlich eine Spannung zwischen beiden. Kusch war nicht voll zufrieden mit Abels Leistungen und Druschei verhielt sich überall als Abels Freund. Nach dem Einlaufen mußte der Kmdt. zur Berichterstattung und man hörte allgemein, daß er Abel entsprechend beurteilte, worauf dieser noch nicht als Kommandant in Frage kam, sondern noch eine Fahrt als I.W.O. und Kmdt.-Schüler machen mußte. Dieses halte ich als die eigentlicher Ursache, die in Abel den Wunsch zur Rache und Revanche aufkommen ließ. Von diesem Tage an halte ich es für wahrscheinlich, daß er Material sammelte und in Druschel und Nothdurft tüchtige Helfer suchte und fand. Auch Druschel hatte Grund, seine Haßgefühle stillen zu können, denn auch ihm wurden während der Fahrt verdiente Rügen erteilt und in den gefährlichsten Momenten, wenn Druschel versagte, übernahm der Kmdt. auch das Kommando als L.I [leitender Ingenieur]“             Funkmaat Janker     

Die Meldung Ulrich Abels über seinen Vorgesetzten Oskar Kusch

Erlass gegen die Kritiksucht und Meckerei (9.9.1943)

Hier: KTB B – B. _ III M 1005/8. Skl. 273629.

Gewaltige Erfolge auf allen Kriegsschauplätzen haben wir deutschen Soldaten in den ersten Kriegsjahren errungen. Wir besitzen durch sie alle Grundlagen, um den Krieg erfolgreich zu beenden. Vergeblich versuchen die Feinde, uns lebenswichtige Teile der besetzten Gebiete wieder zu entreißen. Ihre Kampfkraft wird dabei durch unersetzliche Menschenverluste und ungeheure Materialeinbußen entscheidend geschwächt.

Angriffszeiten sind Höhenpunkte soldatischen Lebens, in denen wir unsere militärische Kraft voll entfalten können. Zeiten der Verteidigung und des Wartens sind schwerer zu ertragen, sind aber nicht minder entscheidend. Neben höchster militärischer Abwehrbereitschaft erfordern sie eine starke innere Haltung.
In solcher Lage neigen wir Deutschen – mehr als die anderen Völker – zur Kritik. Frontsoldaten, die über die sie persönlich berührenden Dinge des militärischen Alltags einmal schimpfen, erleichtern sich und schaden keinem. Das entspricht soldatischer Art.
Verderblich dagegen sind die Meckerer. Sie reden herabsetzend und hemmungslos über alles und gewöhnlich über das, was sie selbst nichts angeht. Willig geben sie Nachrichten und Gerüchte, mögen sie auch noch so töricht sein, ungeprüft weiter. Sie verkümmern damit die Lebensfreude ihrer Kameraden und schwächen ihre seelische Widerstandskraft.
Jede Schwächung unseres Widerstandswillens aber stärkt den Vernichtungswillen der Gegner.

Ich gebe daher folgende Richtlinien:

1. Jeder Angehörige der Kriegsmarine – Soldat, Beamter und Gefolge – mache sich täglich klar: wir alle dienen mit unserem gesamten Denken und Handeln nur dem einen Ziel, das Leben unseres deutschen Volkes und die Einheit unseres Vaterlandes in diesem Schicksalskampf zu erhalten.

2. In der Beurteilung und Kritik von Maßnahmen außerhalb des eigenen kleinen Bereichs ist bescheidene Zurückhaltung dringend geboten. Jeder hat nur Einblick in einen winzigen Teil des gesamten Kriegsgeschehens. Überblick über das Ganze und damit die Möglichkeit zu zutreffender Beurteilung der Lage fehlen ihm völlig. Es können daher nur törichte, eitle oder böswillige Menschen sich einbilden, an den Maßnahmen der militärischen und politischen Führung, von denen sie nichts verstehen, verantwortungslose Kritik üben zu dürfen.

3. Jeder hüte sich davor, aus Sorge für seine Familie oder sein Hab und Gut zu kleinlichen Gedanken und entsprechenden kritischen Betrachtungen und Redereien sich verleiten zu lassen. Er wird dadurch seiner Sorgen nicht Herr, schwächt aber unsere Widerstandskraft, gefährdet gerade das, um das er sich sorgt, und besorgt das Geschäft unserer Feinde.

4. Das wirkungsvollste Mittel gegen Kritiksucht und Meckerei bildet die eigene klare und feste Haltung jedes Vorgesetzten und Kameraden. Verständnisvolle Unterstützung aller anständigen Angehörigen der Kriegsmarine, die einmal schwach werden, aber harte und eindeutige Zurechtweisung ständiger Meckerer ist notwendig.

5. Meckerer, die offen ihre eigene kümmerliche Einstellung auf Kameraden oder deutsche Volksgenossen übertragen und dadurch deren Willen zu wehrhafter Selbstbehauptung lähmen, sind wegen Zersetzung der Wehrkraft unerbittlich kriegsgerichtlich zur Verantwortung zu ziehen.

6. Der Führer hat durch die nationalsozialistische Weltanschauung den festen Grund für die Einheit des deutschen Volkes gelegt. Unser aller Aufgabe in diesem Kriegsabschnitt ist es, diese kostbare Einheit durch Härte, Geduld und Standhaftigkeit, durch Kämpfen, Arbeiten und Schweigen zu sichern.

Berlin, den 9. September 1943               Der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine
Dönitz