Ist Kusch ein Widerständler gewesen?
Vielen Widerständlern im Dritten Reich ist gemeinsam, dass sie das System zu Beginn unterstützt haben, sich einen Wandel wünschten hin zu einer gewissen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stabilität. Die weltanschauliche Vereinnahmung hätte man vielleicht ahnen können, sie stand zumindest vorerst nicht im Mittelpunkt. Die zunehmende Propaganda, die für eine Kehrtwende in den Köpfen sorgte, die Einmischung des Staates in die privatesten Bereiche des Lebens schritt immer weiter voran, sodass in diesem Krieg oft unkritisch zur Waffe gegriffen wurde, um „Deutschland zu verteidigen“. Fest im System verankert ist es schwierig, Widerstand zu leisten. Das muss vorher passieren. Aber was, wenn das System, der Staat Dir alles nimmt, was Dir wichtig ist? Ist es dann nicht auch Pflicht, aufzustehen und sich zur Wehr zu setzen? Schlimmstenfalls zu gehen und woanders zu leben? Die eigene Nische suchen, sich wegducken kann eine Möglichkeit sein, Widerstand zu leisten und dem System zu trotzen eine andere. Kusch ist in vollem Bewusstsein der Gefahren seinen Weg gegangen und hat dabei übersehen, dass die Menschen um ihn herum keine Freunde waren.
Oskar Kusch wird oft in einem Atemzug mit den Widerständlern vom 20 Juli 1944 genannt (siehe Marineforum). Sophie und Hans Scholl, Graf Schenk von Stauffenberg, das waren die Widerständler. Gleichzeitig sind es diese Personen, die dem einzelnen Menschen der damaligen Zeit kein Vorbild sein konnten, da sich die wenigsten Menschen für ähnlich herausragend hielten. Oskar Kusch hingegen ist wie einer von uns. Seinen Widerstand hätte jeder leisten können: Das Führerbild abhängen, Witze über die Nationalsozialisten erzählen, Äußerungen der Propaganda fragend betrachten, kleine Dinge eben. Getan haben es indes die wenigsten. Und dafür kann man sich schon mal schämen und jemanden, der einem selbst voraus war, dem Vergessen anheimgeben. An Oskar Kusch muss erinnert werden, weil seine Art des Widerstandes von jedem hätte geleistet werden können.
Andererseits sieht man Kusch nicht im Widerstand. Einer der Zeugen des Denunzianten Ulrich Abel, Dr. habil. H. Nothdurft zum Beispiel schrieb noch am 6. September 1990, 46 Jahre nach der Hinrichtung, an den Autor Heinrich Walle:
Kann Oskar Kusch uns ein Vorbild sein? Nein, denn er hat das Regime auch gestützt, indem er in den Krieg gezogen ist und Menschen getötet hat. Und das Obwohl er freiheitlich humanistisch aufgewachsen ist, seine Erfahrungen in der bündischen Jugend gemacht hat und gesehen hat, was das System mit seinen Freunden gemacht hat.
Kann er uns Mahnung sein? Ja! Mahnung, wachsam zu sein und den Anfängen zu wehren. Mahnung, unseren Idealen zu folgen.