Bündische Jugend

Oskar-Heinz August Wilhelm Kusch wurde am 6. April 1918 als einziges Kind des Versicherungsdirektors Oskarheinz Kusch und seiner Ehefrau Erna Auguste Kohls in Berlin geboren. Die Familie lebte in Berlin-Schöneberg, wo Kusch von 1924 bis 1928 die Volksschule besuchte, gefolgt von seiner Zeit am Hohenzollern-Reformgymnasium von 1928 bis 1936. Während seiner Schulzeit erhielt Oskar Nachhilfeunterricht von Oberstudienrat Dr. Berger, mit dessen Sohn Dieter er später eng befreundet war. Dr. Berger war humanistisch orientiert und der Nachhilfeunterricht beinhaltete oft philosophische Themen, so dass der junge Oskar früh an ein humanistisches Weltbild herangeführt wurde.
Er trieb viel Sport, vor allem auf dem Wasser, und träumte schon früh davon, zur See zu fahren.
Bereits im Alter von zehn Jahren trat Oskar Kusch der Bündischen Jugend bei. Die Bündische Jugend hatte sich den Idealen von Vielfalt und Selbstbestimmung verschrieben. Kusch gehörte zu der Berliner Gruppe „Südlegion“, die von Rudi Pallas geführt wurde. Trotz des wachsenden Drucks und der Vereinnahmung durch die Hitlerjugend, blieb der Kreis um Rudi Pallas erhalten und setzte seinen Widerstand gegen die Gleichschaltung fort, indem sie sich heimlich trafen und heimlich auf Fahrt gingen.

Oskar Kusch, rechts frontal. Quelle: Archiv der deutschen Jugendbewegung, Burg Ludwigstein


Dieses freie Leben unterschied sich stark von der Situation im Reichsarbeitsdienst (RAD) und der Hitlerjugend, wo der Tag streng durchgetaktet war und im Sinne des Systems gestaltet wurde. Dies berichtet auch die Zeitzeugin Ingelene Rodewald bei der Betrachtung von Bildern des RAD im März 2024:

Die Gestapo überwachte die Bündische Jugend genau. Zahlreiche Mitglieder, so auch Rudi Pallas landeten in Konzentrationslagern und wurden später zur „Frontbewährung“ an die Ostfront geschickt. Inwieweit diese Repressalien das Denken wirklich verändern bleibt offen. Oskar Kusch jedenfalls rettete sich vor der geistigen Vereinnahmung durch die Partei zur Marine. Als Kommandant und Vorgesetzter forderte er immer wieder selbständiges Denken und Hinterfragen ein. Gemäß einem Bericht der Stapo-Leitstelle Berlin aus dem Jahr 1944 äußerte sich Kusch in Briefen an Rudi Pallas, „in krasser Form“ über seine Erfahrungen im Reichsarbeitsdienst.

Arno Klönne in Puls13, „du weißt es – keine zeichen irrten“ über die Jugendbewegung

„die geschichte der deutschen jugendbewegung zwischen den kriegen kann nicht als „besonnte vergangenheit“ begriffen werden: dies wird aus den dokumenten über rudi pallas und die „südlegion“ deutlich. Die jungen menschen, die vor und nach 1933 in bündischen gruppen ihre eigene, anziehende kultur den herrschenden gesellschaftlichen zumutungen entgegenstellten, wurden opfer des krieges und des poitischen systems, als soldaten oder als verfolgte, und viele von ihnen gerieten zwischen die fronten – eben weil sie, am anspruch der jugendbewegung festhaltende, ihre eigenen wege gehen wollten. den jahren, die sie in der lebenswelt der jugendbewegung unter sich sein konnten, nimmt das nichts von ihrem glanz, aber es zeigt die grenzen eines solchen jugendlandes“

Rudi Pallas

Rudi Pallas, geboren 1907 und verstorben 1952, war ein bedeutender deutscher Pfadfinder- und Jugendführer, der sich stark gegen den aufkommenden Faschismus engagierte. Ursprünglich Mitglied des Deutschen Pfadfinderbunds, schloss er sich später der Ringgemeinschaft Deutscher Pfadfinder an. In Berlin entstand aus Gruppen dieses Bundes der Tahoe-Ring, aus dem schließlich 1932 der Jungenbund Südlegion hervorging, den Rudi Pallas leitete. Diese Gruppe widmete sich intensiv humanistischer Literatur, Kunst und Philosophie und sah im antiken Griechenland einen wichtigen geistigen Bezugspunkt.

Trotz des aufkommenden Nationalsozialismus und der damit verbundenen Einschränkungen blieb die Südlegion ihren internationalistischen und kulturellen Prinzipien treu. Pallas‘ freundliches Verhalten gegenüber Frankreich sorgte bereits beim nationalen Jamborée in Spanien für Aufsehen. Sein Verständnis von Deutschland als Teil eines übernationalen Europas stand im Gegensatz zur deutsch-völkischen Engstirnigkeit, die nach 1933 gefordert wurde. Die Südlegion unterhielt Kontakte zu französischen und deutschen Schriftstellern in der Inneren Emigration und unternahm heimliche Auslandsfahrten.

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 bedeutete das Ende der bündischen Jugendkultur. Die Südlegion löste sich offiziell auf, aber Pallas und seine Gruppe führten ihr Leben im Untergrund fort. Pallas wurde 1937 wegen „bündischer Umtriebe“ verhaftet und kam ins KZ Sachsenhausen. 1940 wurde er zur Frontbewährung entlassen und als Truppenarzt an der Ostfront eingesetzt, wo er in Stalingrad in Gefangenschaft geriet. Dort wurde er 1943 Mitglied des kommunistischen Bundes Deutscher Offiziere.

Nach seiner Freilassung aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft im Jahr 1947 wurde Pallas von der Stadt Berlin als Opfer des Faschismus anerkannt. Er engagierte sich aktiv im Bündnis aller Antifaschisten und arbeitete zunächst beim Berliner Rundfunk in Ost-Berlin. Sein Leben und Wirken zeugen von einem starken Charakter und einem unerschütterlichen Engagement für humanistische Werte und den Kampf gegen die Tyrannei.

1952 beging Rudi Pallas Suizid.

Rudi Pallas beschreibt seine Einlieferung ins KZ Sachsenhausen:

„Gestapogefängnis am Alex. Am Sonnabendnachmittag – der langweiligste tag in den Gefängniszellen – wurde die Tür aufgerissen, Einige Namen wurden aufgerufen, auch meiner. Auf dem Hof stehen einige Polizeiwagen bereit. Von SS-Männern werden wir in die Wagen gestoßen. …Ich verfolge den Weg den der Wagen fährt; es geht die Straße nach Oranienburg hinaus – nach Sachsenhausen. Wie oft bin ich an Sonnabenden fürs Wochenende die gleiche Straße nach Mecklenburg hinausgefahren – vorbei an Sachsenhausen. Da hinten lag irgendwo das Kz. Wir haten etwas darüber läuten gehört; wen aber berührte all das unmenschliche Leid, solange er nicht selbst davon betroffen war?“